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© Otto Hanus


Welt, Mensch und Sinn


Das Modell der drei Dimensionen einer metaphysischen Kosmologie



In diesem Essay beschreibe ich eine metaphysische Kosmologie. Es ist ein abstraktes, auf dem Prinzip der Dreiheit beruhendes Modell, das zwischen dem Geistigen, dem Psychischen und dem Physischen einen über-geordneten Zusammenhang herstellt. Man kann diese Beschreibung wie eine Komposition verstehen, die ein Gedankenbild ergibt, welches nicht logisch, sondern analogisch ist und der Anschauung bedarf. Der erkenn-nistheoretische Hintergrund dieser Beschreibung ist die Lamaistisch Tibetische Medizinphilosophie, deren Ansätze ich radikal überarbeitet und im Kontext einer psychedelischen Philosophie zu einem nachvollzieh-baren Modell umgestaltet habe.


Beginnen wir zuerst mit der Klärung einiger Begriffe, die ich verwende: Kosmologie, metaphysisch, Buddhis-mus, Lamaismus, Prinzip, Koinzidenz und instantan. Mit dem Wort „Kosmologie“ werden Ideen vom Ur-sprung und von der Entwicklung des Universums bezeichnet und man kann eine naturwissenschaftliche Kos-mologie von einer außerwissenschaftlichen metaphysischen Kosmologie unterscheiden. Den äußerst zutref-fenden und keineswegs abwerten Begriff „außerwissenschaftlich“ habe ich von der Quantenphysikerin und Mathematikerin Sabine Hossenfelder übernommen, weil es die Einordnung des Themas außerhalb logischer, jedoch analogischer Gewissheit ermöglicht.


Die naturwissenschaftliche Kosmologie beschreibt physisch beobachtbare Fakten und deren Zusammen-hänge im Kontext eines monistischen Paradigmas, in dem alles Seiende ausschließlich auf primordiale mate-rielle Ursachen zurückgeführt wird. In diesem Sinn wäre ein Gedicht von Georg Trakl eine quantifizierbare Abfolge von Buchstaben oder eine Komposition von Wassily Kandinsky, eine ebenso quantifizierbare Vertei-lung von Farbmolekülen, in einem begrenzten Flächenraum. Beides ist zweifelsfrei richtig, obwohl es keinem essenziellen Verständnis dient. Dem gegenüber steht das metaphysische Modell der drei Dimensionen, die Lamaistische Drei-Prinzipien-Lehre. Sie blendet die physische Realität des Seienden nicht aus, sondern be-trachtet und interpretiert deren quantifizierbare Fakten, in einem übergeordneten Sinn bildenden Zusam-menhang. Dabei wird jedes Phänomen, also alles, was der Fall ist, als eine Realität bildende Verwirklichung verstanden, der drei Dimensionen oder Prinzipien zugrunde liegen: das Physische, das Psychische und das Geistige.


Der übergeordnete oder in die Welt der Erscheinungen „hinein geordnete“ Zusammenhang dieser Drei Di-mensionen hatte sich aus dem Kontext einer buddhistischen Philosophie heraus entwickelt, deren Anfänge in die hinduistische Samkhya-Philosophie Indiens zurückreichen. Samkya bedeutet wörtlich Zahl, Aufzählung oder das, womit man etwas in allen Einzelheiten beschreiben kann. Schon vor annähernd dreieinhalbtausend Jahren hatte es bereits eine Vorstellung von drei Prinzipien gegeben, aus denen heraus sich Seiendes ver-wirklicht. Im hinduistischen Schöpfungsmythos zeigt sich dieses Prinzip als Trimurti, einer triadischen Gottheit (Bild 1); auch im sino-japanischen Buddhismus kannte man die Einheit der Drei (Bild 2), sie findet sich ebenso in der Kultur der Romanik (Bild 3) und gelangte vermutlich über Pythagoras und seiner Zahl Drei des Alls in die christliche Mystik (Bild 4). Sogar in Afrika war der Archetyp der Drei zum Ausdruck gekommen (Bild 5). Es ist nicht verwunderlich, dass die Einheit der Drei auch in der Phänomenaliät der Farben (Bild 6) und ebenso in geometrischen Abstraktionen zu erkennen ist (Bild 7).











































Wie sich zeigt, ist die "Drei" nicht nur eine quantitative Zahl, sondern auch ein konfigurierendes und vor al-lem instantanes Phänomen, welches sich bis zu den Anfängen einer abstrakten hinduistischen Philosophie zurückverfolgen lässt. In Tibet verschmolz die Praxis und Philosophie des Buddhismus indischen Ursprungs mit dem vorbuddhistischen Bönpo-Schamanentum woraus sich der Lamaismus entwickelt hatte, in dem schließlich eine Tibetisch Lamaistischen Medizinphilosophie und Kosmologie zum Ausdruck kam. Die ihr zu-grundeliegende Philosophie der Einheit der Drei wurde von der abstrakten Philosophie des Hinduismus und der Erfahrungslogik des psychologischen Buddhismus in das Lamaistische Welt- und Menschenbild inte-griert und hat zur Drei-Prinzipien-Lehre geführt. Die geistige Essenz dieser Lehre ist der instantane Aspekt im Wesen der Drei. Das bedeutet: Die Gestalt eines Dreiecks ist nicht die Summe seiner drei Eckpunkte, son-dern die von vornherein gegebene gleichzeitige Beziehung aller drei Eckpunkte, in der Einheit der Gestalt. Keiner der drei Eckpunkte waren vorher und keiner nachher. Das Wesen der Drei ist in der Gestalt eines Dreiecks, in drei akausalen, unmittelbar zusammenhängenden, einander bedingenden und demzufolge in-stantanen Bezugspunkten verwirklicht.


Den metaphysischen Aspekt betreffend hat der Lamaismus die verschiedenen Schulen des indischen Yoga, die tantrische Ritualistik, sowie diverse Formen der Meditation und der kontemplativen Imagination über-nommen und weiterentwickelt. Die Verbindung zwischen der hinduistischen Kosmologie und der buddhisti-schen Psychologie mit dem Bönpo und seinen zum Teil magischen, nekrologischen und spiritistischen Aspek-ten lässt den Lamaismus als eine komplexe und vielschichtige geistig-psychische Welt zwischen Licht und Dunkelheit erscheinen. Das Besondere am Lamaismus ist deshalb sein Verständnis für die paranormalen und dämonischen Aspekte einer nicht menschlichen psychischen Dimension, die sich nicht ausschließlich über das Physische erklären und verstehen lassen.


In der Drei-Prinzipien-Lehre wird alles, was der Fall ist, auf drei universale, einander bedingende Prinzipien zurückgeführt. Ein Prinzip ist etwas, was einem Phänomen zugrunde liegt und generell gültig ist. In der phy-sischen Dimension ist die Gravitation ein Prinzip, in der psychischen Dimension ist das wahrnehmende und empfindende Erleben ein Prinzip und in der geistigen Dimension ist es unter anderem das physisch oder psy-chisch nicht verwirklichte Mögliche. Ebenso sind radiale Wellenbewegungen von innen nach außen, die Tat-sache, dass Gelb weder Rot noch Blau enthält, ein Kreis ein ausgedehntes Zentrum ist oder ein Dreieck grundsätzlich aus drei Eckpunkten besteht, prinzipielle Phänomene. Das ist wie bei einer gezeichneten Linie, der von Anfang an das Prinzip eines instantanen, unumkehrbaren Bewegungsausdrucks im Flächenraum zu-grunde liegt, weil sie sonst nicht entstanden wäre und als grafische Eigenart nicht der Fall sein würde. Bei jedem Wort, das Sie handschriftlich schreiben, können Sie dieses Prinzip erfahren.


Die Metaphysik Drei-Prinzipien-Lehre unterscheidet sie sich von der naturwissenschaftlichen Physik, die alles Seiende auf ein Einziges, nämlich das physische Prinzip reduziert und davon ableitet, aufgrund der An-nahme, dass sich in allen Erscheinungen drei Prinzipien verwirklichen. Dass das Universum auf ein einziges Prinzip zurückzuführen wäre, ist lediglich ein Glaubenssatz. Auch die Rückführung auf drei Prinzipien ist ein Glaubenssatz. Hier begegnen wir dem Unterschied zwischen einem rationalen und einem ästhetischen Denken, zwischen Wissen und Sehen. Das rationale wissenschaftliche Denken folgt dem Ockham’schen Spar-samkeitsprinzip, indem es alles reduziert, bis es nichts mehr zu reduzieren gibt. Das ästhetische Denken schließt eine Reduktion auf das Wesentliche ebenfalls nicht aus; dabei kommt es jedoch darauf an, was man im Kontext der Ganzheit einer Gestalt für wesentlich hält. Der naturwissenschaftliche Ansatz folgt der Ten-denz Gestalten zu zertrümmern, der ästhetische Ansatz folgt der Tendenz Gestalten zu schaffen. Man kann sich also fragen, welche der beiden Tendenzen welchen Sinn vermittelt und sich dann entscheiden.


Warum sind es in diesem Lamaistischen Modell akkurat drei Prinzipien und nicht zwei oder mehr als drei? Das ist deshalb so, weil sich die Vielfalt der universalen Erscheinungen auf nicht weniger als drei Prinzipien reduzieren lässt und mehr als drei Prinzipien nicht erforderlich sind, weil sich alle Phänomene davon ableiten lassen. Dass es drei Prinzipien oder Dimensionen sind, ist also keine beliebige gedankliche Spekulation, son-dern eine metaphysische Einsicht, die man in den Phänomenen erkennt, wenn man sie auf das Wesentliche zurückführt, ohne dabei den Fehler zu machen, die Primärfarben auf eine primordiale Farbe zurückführen zu wollen.


Dem Mathematiker und Philosophen Alfred North Whitehead zufolge ist Metaphysik eine Beschreibung. Das Kriterium für eine solche Beschreibung ist die Kohärenz, also ein erkennbarer Zusammenhang sowie die Übereinstimmung in den Beziehungen unvereinbar scheinender Attribute und die Möglichkeit ihrer Veran-schaulichung. Das entspricht dem, was ich unter einer ästhetischen Logik verstehe. Wenden wir diese Krite-rien in einem Gedankenexperiment auf die Metaphysik einer gegenstandsfreien Collage an (Bild 8).















In diesem Bild befinden sich die Bildelemente in einem kohärenten Zustand, weil sich ein Zusammenhang erkennen lässt, dahin gehend, dass alle Bildelemente formal aufeinander bezogen sind und eine geordnete, man könnte auch sagen konsonante Gestalt bilden. Dass diese Bildgestalt konsonant und nicht dissonant ist, lässt sich jedoch naturwissenschaftlich gedacht nicht beweisen. Es bedarf eines subjektiven Empfindens im unterscheidenden Wahrnehmen und ein qualifizierendes Beurteilen des Wahrgenommenen, um die, eine Konsonanz bildende Kohärenz zu erkennen. Der Zustand dieses Bildes ist die Summe aller seiner Beziehun-gen von zuvor unzusammenhängenden einzelnen und beziehungslosen Bildaspekten, die in der instantanen Anschauung des Ganzen den geistigen Aspekt des Bildes inkarnieren.


Die Lamaistische Drei-Prinzipien-Lehre beschreibt die Welt und den Menschen nicht logisch, diskursiv, son-dern analogisch, imaginativ und kontemplativ. Das bedeutet, dass es sich um Einsichten handelt, in denen das Gefüge der Welt vom Ganzen hergeleitet, gesehen und verstanden wird. Diese Einheit des Ganzen ist kein grundsätzlicher Gegensatz zum Weltbild der Naturwissenschaft, sondern lediglich ein Unterschied im Den-ken und Sehen, zwischen Rationalität und Ästhetik. Sie lässt sich mit dem Phänomen einer Collage verglei-chen, die weder logisch noch unlogisch, weder richtig noch falsch, sondern bestenfalls überzeugend oder we-nig überzeugend gestaltet ist. Deren Information, verstanden als ein in-Formation-sein, ist ein Ausdruck analogischer Relationen und Beziehungen. Dabei ist es unwesentlich, ob die Information aus Buchstaben und Worten, aus visuellen Attributen oder aus mathematischen Zeichen besteht. Wesentlich ist, dass die Relatio-nen und Proportionen hinter den eine Formation bildenden Elementen im Kontext des Ganzen wider-spruchsfrei sind. In diesem Sinn kann man in der Drei-Prinzipien-Lehre eine ästhetische, man könnte sagen, nicht verbale Logik analogischer Beziehungen sehen. Deshalb bezeichne ich meine Essays auch als einen Aus-druck psychedelischer Philosophie.


Die Lamaistische Drei-Prinzipien-Lehre, deren Metaphysik ich in diesem Essay in einer modifizierten Form beschreibe, erfordert ein imaginatives Denken, wenn man sie verstehen will. Dieses Modell von dreier uni-versaler Dimensionen ist dem Bild eines Dreiecks und seinen drei koinzidenten Eckpunkten vergleichbar. Koinzident sind sie deshalb, weil sie beim Wahrnehmen, das instantane Bild der Verwirklichung einer geisti-gen Formierung ermöglichen. Im quantitativen Aspekt der Drei offenbaren sich die qualitativen Aspekte sei-ner geistigen In-Formation. Man sieht das Dreieck nicht, indem man dessen drei Eckpunkte betrachtet und denkt, dass sie zusammengehören. Die Gestalt des Dreiecks vermittelt sich in der instantanen Wahrneh-mung aller Beziehungen seiner Eckpunkte (Bild 9).















Weil diese Phänomenologie für das Verständnis der Metaphysik der Lamaistischen Drei-Prinzipien-Lehre wichtig ist, werde ich das ihr zugrunde liegende Phänomen der “Drei” genauer erklären. Eins plus eins und eins ergibt drei. Das ist den Regeln der Logik folgend, in allen Situationen richtig. Dass drei Objekte niemals mehr oder weniger als drei Objekte sind, wäre demnach eine richtige Aussage, weil sie logisch ist und deshalb von jedem verstanden werden kann. Aber auch die Aussage, dass es unendlich viele verschiedene Erschei-nungsformen von drei gibt, ist richtig, und zwar dann, wenn man zwischen einer Zahl und einer Gestalt oder anders gesagt: zwischen einer Quantität oder Menge und einer Qualität oder Gestalt unterscheidet. Was ich damit meine, soll dieses Bild zeigen (Bild 10).









Hier sehen Sie vier von unendlich vielen verschiedenen Möglichkeiten, wie vier Objekte (in diesem Beispiel sind es Punkte), in einem Flächenfeld verortet sein können. Das heißt: Einerseits sehen Sie viermal nicht mehr und nicht weniger als vier Objekte und andererseits sehen sie vier verschiedene Verortungen dieser vier Objekte im Raum. Jedes dieser vier Beispiele ist eine In-Formation, weil in jedem Bild die Punkte un-terschiedlich im Raum formiert, also angeordnet sind. Als Formierung, Konfiguration, konfiguriert oder formiert bezeichne ich demnach einen Zustand, der erkennen lässt, dass beliebig viele Teile eine Gestalt bil-dend verortet sind. Jede Formierung dieser vier Beispiele besteht quantitativ aus vier Objekten; aber diese Objekte sind jedes Mal anders konfiguriert und deshalb anders aufeinander bezogen. Das logische Denken kann über keines dieser vier Bilder eine logische Aussage machen, außer dieser, dass in jeder Variante nicht mehr und nicht weniger als vier Objekte vorhanden sind.


Denselben Zusammenhang zeigt ein anderes Beispiel mit drei Bildelementen (Bild 11). Jede der acht Varian-ten besteht aus drei visuellen Objekten. Das heißt, die Quantität der Drei ist in jeder Variante dieselbe, ob-wohl jede Verortung der drei Objekte im Raum ein anderes In-formiert-sein ist und anders wirkt. Es gibt kei-ne naturwissenschaftliche Aussage über diese acht verschiedenen In-Formationen, deren adjektive Unter-schiede und Wirkungen auf das wahrnehmende Empfinden.















In der Drei-Prinzipien-Lehre ist die "Drei" einerseits eine quantitative Aussage: nicht mehr oder weniger als drei. Andererseits und zugleich sind aufgrund der quantitativen Drei unterschiedliche Muster von Beziehun-gen und somit In-Formationen möglich. Deshalb geht der Lamaismus in seinem metaphysisch kosmologi-schen Welt- und Menschenbild davon aus, dass sich die Koinzidenz der drei Prinzipien, bzw. Dimensionen, in allen physischen, psychischen und geistigen Phänomenen verwirklicht. Anders gesagt, in allem, was der Fall ist, haben sich drei universale Prinzipien, sowie deren Attribute und Funktionen verwirklicht. Sie werden Chi, Schara und Badgan genannt.


Chi, die Beziehung ist ein geistiges, Struktur und Gestalt bildendes Prinzip. Schara, die Distanz, ist das Prinzip der Bewegung, der Energie, des Wollens und somit des Lebens. Badgan, die Bindung, ist das Prinzip der An-ziehung und entspricht den materiellen Phänomenen. Chi, Schara und Badgan, Geist, Leben und Materie bzw. Beziehung, Distanz und Bindung sind als koinzident aufzufassen. Diese Koinzidenz lässt erkennen, dass Le-ben und Geist nicht aus Materie entstanden sind, das Geistige nicht die Ursache materieller Phänomene und Leben kein Produkt zufälliger materieller Verklumpungen ist. Geist, Leben und Materie sind eine universale, allen Erscheinungen übergeordnete Einheit von drei instantanen Dimensionen (Bild 12).



















Mein Modell der drei instantanen Dimensionen, welches ich aus der Lamaistische Drei-Prinzipien-Lehre ab-geleitet habe, verweist auf eine metaphysische Ordnung des Universums und infolgedessen auch des Men-schen und der Welt. Metaphysisch ist diese Ordnung deshalb, weil man sie nur über ein abstrahierendes und zugleich kontemplatives Denken zu erkennen vermag. Den Erfahrungen der fünf Sinne liegt etwas zugrunde, was sich nicht allein durch deren physischen Aspekt, sondern nur aufgrund eines extrasensorischen sechsten Sinns durch Abstraktion und Kontemplation erfahren lässt. Dies ist, die instantane Koinzidenz der Chi-, Schara- und Badganprinzipien, die sich in den sensorischen Phänomenen verwirklicht. Selbstverständlich steht das im Widerspruch zum naturwissenschaftlichen Glaubensbekenntnis, das jede Verwirklichung auf materielle Ursachen und diese wiederum auf nichts zurückführt, von dem her alles, was der Fall ist, als zu-fällig entstanden zu verstehen wäre.


Die Mechanik des diskursiven Denkens erzeugt die Vorstellung, dass die sensorisch erfahrbaren Phänomene der Welt aus etwas hervorgegangen sind, das vorher gewesen ist. Ich sehe darin einen phänomenologisch falschen Ansatz, der durch eine auf Begriffen beruhende Grammatik entsteht. Was man dabei übersieht, ist die offensichtliche Tatsache, dass der linearen Grammatik einer Aussage, ein komplexes Gedankenbild zugrunde liegt. Es ist das Gedankenbild, das den grammatischen Zusammenhang der Worte zu einer Aussage gestaltet, die Sinn vermittelt. Sechsundzwanzig Buchstaben unseres Alphabets reichen aus, um alle von der Menschheit gedachten Gedanken, Erfahrungen und Vorstellungen zu beschreiben. Zwei elektronische Akti-vierungszustände reichen aus, um alle möglichen Bilder sichtbar zu machen. Weder die physischen Buchsta-ben noch die elektronischen Bits und Bytes sind die Ursache für die Milliarden möglicher Texte und Bilder, die damit zum Ausdruck gebracht werden können. Es sind die geistigen Beziehungen, die relationalen Muster zwischen den Buchstaben, es ist die, eine präkonfigurierte Ganzheit bildende Grammatik rückgekoppelter Zu-sammenhänge in der Abfolge der Worte, wodurch deren physische Aspekte zu Texten und Bildern konfi-guriert werden. Ähnlich lassen sich auch die drei universalen Chi-, Schara-, Badganprinzipien verstehen, wenn man weiß, dass in jedem dieser drei Prinzipien wiederum dieselben drei Prinzipien wirken, woraus sich neun Dimensionen ergeben, in denen das Prinzip der Drei zum Ausdruck kommt (Bild 13).
























Es geht noch weiter. Weil sich die Drei-Prinzipien-Lehre auf alles bezieht, was der Fall ist, bedeutet dies, dass sie sich in allen Erscheinungsformen des Universums erkennen lässt. Verwirklichung bedeutet wiederum, dass sich etwas, das der Fall ist, in Form von In-Formation, also Konfiguration realisiert hat. Aufgrund dieser Möglichkeiten, sich zu konfigurieren, ergeben sich neun Formbereiche, bzw. Schöpfungsstufen der Verwirkli-chung, in denen ein konfiguriertes Sein zum Ausdruck kommt (Bild 14). Die unterste Stufe kann zugleich als die oberste gelten, weil die räumlich perspektivische Betrachtungsweise des Seienden im Kontext dieses Modells nicht von Bedeutung ist. Daraus folgt: Es gibt keine Entwicklung von unten nach oben und ebenso keine von oben nach unten. Was sich zeigt, ist eine akausale gegenstandsfreie Wirklichkeit, die außerhalb von Zeit und Raum die Welt der gegenständlichen Erscheinungen und deren gestaltetes Sein ermöglicht.


















Was hat man davon, wenn man das weiß? Was bedeutet haben? Hat man etwas von einem Gefühl? Hat man etwas von einer Idee? Was hat man von einem Traum? Dieses „was hat man davon“ scheint ein Ausdruck da-für zu sein, dass das personale Ich für sich keinen Nutzen erkennen kann. Aber: Was hat man von einer Land-karte, wenn man sich im Gelände befindet und sich orientieren muss? Sie vermittelt und ermöglicht Orien-tierung. Ebenso ist es mit dem Modell der Lamaistischen Drei-Prinzipien-Lehre, bzw. dem Modell der drei Di-mensionen. Es ermöglicht Orientierung im psychischen Feld. Deshalb beende ich diesen Essay mit einem Zitat des Mathematikers und Philosophen Alfred North Whitehead, der sagte: „Die Ordnung ist der Grund für die Welt. Es trifft nicht zu, dass es eine wirkliche Welt gibt, die ganz zufällig und nebenbei eine Ordnung der Natur aufweist. Es gibt eine wirkliche Welt, weil eine Ordnung in der Natur existiert. Gäb es keine Ord-nung, dann gäbe es auch keine Welt. Da es also eine Welt gibt, wissen wir, dass eine Ordnung existiert.“




Bild 1

Bild 2

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