A. K. T. Forum Hanus Außerwissenschaftliche Kunst und Theorie
© Otto Hanus
Was ist die Welt, warum und wozu?
In der philosophischen Tradition des Westens gab es eine Zeit, in der sich der Geist im Mittelpunkt des Den-kens über die Welt und den Menschen befunden hatte. Diesen Geist hatte man sich als den Ausdruck einer göttlichen Ordnung gedacht und vorgestellt. Man meinte zum Beispiel, dass sich der Geist dieser Ordnung unter anderem in den Beziehungen der Gestirne zeigen würde, die auf den Menschen Einfluss hätten. In die-ser Philosophie von Gott, Geist und Welt hat es im Westen eine theologisch bedingte jahrhundertelange Trennung von Geist und Körper gegeben, die das Denken über den Sinn und das Wesen der Welt nachhaltig beeinflusst hat.
Was ist die Welt? Für den Lebensalltag ist diese Frage ohne Belang. Man kann problemlos leben, ohne dass man sich darüber Gedanken machen müsste, warum und wozu die Welt existiert. Die Erde, auf der wir leben, und die Welt, in der wir uns befinden, sind nicht dasselbe. Ohne den Willen zu gestalten und ohne Vorstel-lung, was gestaltet werden sollte und könnte, gäbe es nichts, was Welt genannt werden könnte. Wille und Vorstellung scheinen bei genauerer Betrachtung für unser Leben in der Welt oder anders gesagt für die Welt des Lebens bedeutungsvoller zu sein, als man vielleicht meint. Es gab einen Philosophen, von dem wir wissen, dass er sich mit dem Willen und der Vorstellung der Welt beschäftigt hat: Arthur Schopenhauer.
Dieser Philosoph wurde und wird gerne so dargestellt, als würde er Menschen, die er Bipedes nannte, auf-grund seines Pessimismus verachtet haben und nannte ihn deshalb einen Misanthropen. Aber Schopenhauer war keineswegs ein Verächter der Menschen. Er hat nur ungeschminkt, schnörkellos und nicht beschönigend einen Zustand beschrieben, den er vorzufinden meinte, wenn er die Wirkungen des menschlichen Wollens erkannte. Wer wollte ihm ernsthaft widersprechen, wenn er sagt, dass der schlimmste Feind des Menschen der Mensch selbst ist. Das ist seiner Ansicht nach deshalb so, weil sich die Macht des Wollens des einen mit allen verfügbaren Mitteln gegen das Wollen eines anderen durchzusetzen versucht. Und weil auch soziale Gemeinschaften diesem radikalen Wollen in der Selbstdurchsetzung unterliegen, entstehen sowohl unter den Individuen wie in kleinen und großen Gruppen eskalierende Situationen, die von der Macht des Willens zum Überleben und der Selbstdurchsetzung im Vernichten des Lebens anderer rücksichtslos dominiert wer-den (Bild 1).
Ich werde der Frage nachgehen, ob und wie sich ein auf gewollten Entscheidungen und Vorstellungen beru-hendes Verständnis der Welt auf den kreativen Ausdruck und das gestaltende Handeln auswirkt. Ich beziehe mich dabei auf Einsichten, Überlegungen und Erfahrungen, die das Weltbild und die Weltanschauung be-treffen. Bild und Anschauung stehen demnach im Fokus meiner Betrachtung. Ich betrachte Welt, im Un-terschied zur Erde, dem terrestrischen System, als eine vom Menschen geschaffene Realität. Ohne den Men-schen würde es zwar die Erde, aber keine Welt geben und deshalb sind alle Aspekte der Welt, die physischen, psychischen und geistigen Ausdrucksformen, auf den Menschen bezogen, weil sie durch ihn zustande kom-men.
Wenn wir über die Welt reden, dann reden wir demnach über Phänomene, die den Menschen betreffen und sich auf ihn und das, was ihn umgibt, beziehen. Wohl gibt es die Erde ohne den Menschen, aber es gibt keine Welt ohne ihn, weil der Mensch aufgrund seines Wollens, Vorstellens und Handelns auf der Erde, die Welt erschafft, in der er lebt. Die Erde hat den Menschen hervorgebracht, aber die menschliche Spezies erschafft die Welt. Es gibt die Erde, aber nicht die Welt ohne den Menschen. Die Vernichtung der Welt wäre keine Ver-nichtung der Erde, aber die Vernichtung der Erde würde zugleich eine Vernichtung der Welt sein. Aber wenn die Welt ein vom Menschen geschaffenes System ist, ergibt sich daraus die Frage, aufgrund welcher Voraus-setzungen er die Welt erschafft.
Das Wort Welt kann mit unterschiedlichen Erfahrungen und Vorstellungen in Verbindung gebracht werden. Ich bezeichne mit Welt den persönlichen Zustandsraum der einzelnen Person und den Zustandsraum aller Menschen als Kollektiv. Unter Zustandsraum verstehe ich die Gesamtheit aktuell verwirklichter und unbe-wusster, nicht verwirklichter, aber möglicher psychischer und geistiger Attribute des Individuums und des Kollektivs. Die Menschen in Nordkorea befinden sich gezwungenermaßen in einem anderen Zustandsraum als jene in der Schweiz. Und Adolf Hitler hat sich als Individuum vermutlich in einem anderen Zustandsraum befunden als Mahatma Gandhi. Zustandsräume sind mit bewussten und nicht bewussten, unterschwelligen Motivationen und Absichten verbunden, die sich in Handlungen äußern und den übergeordneten Zustands-raum der Welt bilden. Die Welt ist demnach die Summe aller subjektiven, der intersubjektiven und kollekti-ven Zustandsräume, die ich im Begriff der Subjektdimension zusammenfasse, wenn ich sage, die Subjektdi-mension konstituiert die Welt. Damit dies möglich ist, interagiert der Mensch mit den anorganischen und organischen Erscheinungsformen der Erde, die er vorfindet und sich gestaltend oder zerstörend handelnd darauf bezieht.
Übergeordnet betrachtet, ist die Welt demnach die Gesamtheit aller Beziehungen zu den Erscheinungs-formen und Attributen der Erde und dies schließt die nicht menschliche Lebenswelt mit ein. Weil alles, was auf der Erde vorhanden ist und sich ereignet, Interaktion und Beziehung ermöglicht, ist die Welt deshalb das stets aktuell sich Ereignen aller subjektiven, intersubjektiven und kollektiven Interaktionen, Wahrnehmun-gen, Beobachtungen und Erfahrungen im Kontext der Erde und ihrer Prozesse. Diese Prozesse sind ein Aus-druck von physischen Regeln, Konstanten und Gesetzen, auf die sich das Individuum und das Kollektiv mit unterschiedlichen Freiheitsgraden des Handelns und Verhaltens beziehen kann.
Betrachtet man die eine Welt bildende Handlungen, zeigen sich gestaltend konstruktive und destruktive Ausdrucksformen und deren Absichten. Diese Absichten können bewusst oder unbewusst sein und sind vom Drang zu überleben und der Selbstdurchsetzung geprägt. Die damit verbundenen Äußerungen kommen im Kontext der physischen Phänomene der Erde zustande, deren Gesetze, Konstanten und Regeln, die Grund-lage für eine Weltgestaltung bilden, in der sich die Absichten im Physischen verwirklichen. Diese Möglich-keiten der Verwirklichung reichen jedoch über das Physische hinaus, in eine psychische und geistige Dimen-sion hinein.
Die Welt ist für jeden Menschen, für jede soziale Gruppe und in jeder Kultur eine andere, je nachdem, wie Menschen das, was sie auf der Erde beobachtend, interpretierend und bewertend in Anspruch nehmen. Die Welt ist das Wie der Beziehungen der Menschen zu den Phänomenen der Erde und ihren Lebensformen. Deshalb kann man sagen, auf der Erde lebt jeder in seiner eigenen Welt und alle zusammen leben wir in un-terschiedlichen soziokulturellen Welten. Es gab eine Zeit, in der man sich die Welt als einen Kosmos vorge-stellt hatte, also ein im Gegensatz zum Chaos geordnetes harmonisches Ganzes, in das der Mensch eingebun-den war (Bild 2).
Seitdem man zwischen der Erde als einem Planeten im Sonnensystem und der Welt der subjektiven Erfah-rungen unterscheiden konnte, kann man sagen: Die sogenannte Außenwelt, die extrazerebrale Realität, ist der Bereich der astronomischen und physikalisch realen Erde und die Innenwelt, die intrazerebrale Wirklich-keit, ist die Dimension nicht materieller Vorstellungen und geistiger Erfahrungen, die es ermöglichen, auf die Erde gestaltend oder zerstörend Einfluss zu nehmen. Die intrazerebrale Option, entscheiden und wollen zu können und die damit verbundenen Motivationen, Gedanken und Vorstellungen, sind die Voraussetzungen dafür, dass sich eine Welt bilden kann, die sich beobachten und erleben lässt. Die rationalen Wissenschaften machen jedoch den Fehler zu glauben, die Welt würde unabhängig vom Menschen in einem Zustand materieller Zufallsprozesse und Determinismen existieren. Ich bezweifle das. Kann ein Wissenschaftler seine Messungen durchführen, ohne es zu wollen? Kann er, ohne denken zu wollen, über seine Beobachtungen berichten? Kann man eine mathematische Gleichung lösen, ohne sich dafür zu entscheiden? Kann ein Künstler einen Farbklang erzeugen oder ein Bild gestalten, ohne qualifizierende Entscheidungen zu treffen? Damit dies möglich ist, bedarf es einer psychischen und einer geistigen Dimension im Physischen. Im Unter-schied zum terrestrischen System Erde, in der das Physische dominiert, ist die Welt ein globaler psychisch geistiger Zustandsraum. Betrachten wir folgenden Zusammenhang. Physikalisch gedacht, sind Farben Wel-lenlängen des Lichts. Für das Empfangen dieser Wellenlängen hat der Mensch in der Netzhaut seiner Augen drei farbempfindliche Rezeptoren, deren Sehpigmente auf verschiedene Wellenlängen des Lichts reagieren (Bild 3).
Wenn Licht mit den Sehpigmenten interagiert, werden neuronale Impulse erzeugt, die zum Sehzentrum ge-leitet werden. Dann, so meint man, würde man Farben sehen. Diese Interaktion ist sehr kurz gefasst der physikalische Vorhang der Reizaufnahme und Reizumwandlung durch die Augen und die Verarbeitung der neuronalen Reize im Gehirn. Soweit so gut. Aber damit hat man keine Farben wahrgenommen und erlebt. Etwas Entscheidendes scheint zu fehlen. Andernfalls müsste man daran glauben, dass das Farbbild auf dem Display eines Smartphones von diesem Gerät erkannt und wahrgenommen werden würde. Hier kommt das wahrnehmende Erleben im Unterschied zur blinden Mechanik ins Spiel.
Damit man in der Außenwelt gestaltend agieren, also auf die Erde Einfluss nehmen und etwas bewirken kann, muss sie wahrgenommen werden. Im Wahrnehmen befindet man sich als Wahrnehmender in einem Zustand der Aufmerksamkeit, der keine Funktion eines raumzeitlich verorteten, physischen zerebralen Sys-tems, sondern eines nicht verorteten Wahrnehmungsfeldes ist. Ein Feld sei als fiktive Summe aller ausdeh-nungslosen Orte und deren möglicher Beziehungen, in einem koordinatenfreien Raum definiert. Demnach ist ein Feld kein physikalisches, sondern ein geistiges Phänomen, eine primordiale, nicht materielle Dimension des Universums und mithin der Welt.
Obwohl wir wissen, dass man ohne Gehirn nicht aufmerksam sein kann, wird das aufmerksam sein Können demnach nicht vom physischen Gehirn, sondern vom Wahrnehmungsfeld ermöglicht, das nicht vom Gehirn getrennt ist. Es gibt keine Welt ohne die Erde, und es gibt keine Welt ohne das Wahrnehmungsfeld. Die physikalischen Phänomene des terrestrischen Systems werden durch relationale, Konfigurationen bildende Beziehungen ermöglicht. Die neuronalen Ereignisse im raumzeitlichen Kontext des Gehirns ereignen sich zu-gleich im raumzeitlosen Wahrnehmungsfeld, wodurch Beziehung und Konfiguration im Gegenübersein von ich und Welt möglich sind. Das objektfreie Wahrnehmungsfeld ermöglicht dem physischen Gehirn Akte der Entscheidung, Unterscheidung, Qualifizierung und Beziehung, ohne die es keine Welt bildenden, gestalten-den Prozesse geben würde (Bild 4).
Ich komme noch einmal auf das Beispiel mit den Farben zurück, weil man an ihnen den Unterschied und die Beziehung von Erde und Welt, sowie von Gehirn und Welt studieren kann (Bild 5).
Die Lichtwellenlängen dieser drei Farben können zweifelsfrei gemessen und deren Zahlenwerte beschrieben werden. Eine derartige Messung wäre objektiv, weil sich unter gleichen Voraussetzungen immer dieselben Werte ergeben würden. Das sind die quantifizierbaren Fakten der Farben, in der extrazerebralen physischen Realität. Diese Aussage ist aber insofern phänomenologisch falsch, als die gemessenen Lichtwellenlängen keine Farben, sondern Wellenlängen des reflektierten Lichts sind, die in neuronale Impulse umgewandelt zum Sehzentrum geleitet werden. Das ist der physikalische Vorgang, wie er von den Regeln der Erde vor-gesehen ist und durchgeführt wird. Betrachten wir jetzt den entscheidenden Unterschied zum qualifizie-renden Empfinden beim Wahrnehmen der neuronalen Impulse im Sehzentrum. Würde nichts anderes vor sich gehen als dieser Prozess, hätte man lediglich die Reizung eines synaptischen Netzwerks in der zere-bralen biophysischen Substanz, aufgrund neuronaler Impulse. Man muss verstehen, dass dies farblose Funk-tionen sind, Reizmechanismen eines hochkomplexen organischen Detektors. Wo ist die, eine farbige Welt gestaltende Farbe?
Es ist eine bequeme Vorstellung der Physiker, Biologen und Neurologen, zu glauben extrazerebrale Lichtreize würden im neuronalen Milieu irgendwie ein intrazerebrales Wahrnehmen von Farbe ermöglichen. Die unter-schiedlichen Eigenschaften der Farbakkorde in diesem Beispiel (Bild 6) lassen sich quantitativ weder bestim-men noch beschreiben. Bestenfalls könnte man die flächenräumliche Verteilung der neuronalen Impulse und deren Verortung im Netzwerk des Sehzentrums bestimmen. Vom extrazerebralen Standpunkt her betrach-tet, sind die Lichtwellenlängen jeder Farbe in den Farbakkorden farblose Reize. Vom intrazerebralen Stand-punkt her betrachtet, sind diese Farbakkorde jedoch Wirkungen, die erst durch die Wahrnehmung eines Be-obachtenden entstehen. Das ist interessant, denn es ist der Beobachtende im individuellen Zustandsraum, der oder die dem Farbakkord im Kontext des subjektiv empfindenden Wahrnehmens ermöglicht, auf das Empfinden einzuwirken.
Diese unterschiedlichen Wirkungen kommen nicht, wie man meinen könnte, durch die Farben, sondern durch deren Beziehungen zueinander zustande. Wassily Kandinsky hat in diesem Zusammenhang von Farb-vibrationen gesprochen und Kasimir Malewitsch hatte sich in seinem Suprematistischen Manifest ähnlich geäußert, indem er auf das seelische Empfinden in der objektfreien Kunst verwiesen hat. Diese sehr einfa-chen Farbakkorde (Bild 7) vermitteln Farbvibrationen, die nicht als messbare elektromagnetische Frequen-zen, sondern als wahrnehmendes Empfinden interaktiv vorhanden sind.
Damit die neuronalen Reize des elektromagnetischen Spektrums ein Farbempfinden ermöglichen, muss das Gehirn diese farblosen Reize in ein Farbphänomen übertragen (transponieren). Das ist ein bemerkenswerter Vorgang, wenn man bedenkt, dass sich die neuronalen Impulse eines, wie man meint, ausschließlich physisch vorhandenen Gehirns selbst nicht wahrnehmen können und wenn sie es könnten, würde dabei kein Farb-empfinden entstehen.
Wie kommen die Farben ins Gehirn? Es hat lange gedauert, bis mir die Antwort auf diese essenzielle Frage entgegenkam. Ausgehend von der Tatsache, dass das Universum ein völlig farbloses Es ist, in dem es weder ein außerhalb noch ein innerhalb gibt, muss das Wesen der Farben dem elektromagnetischen Spektrum des Lichts inhärent sein. Unter Wesen verstehe ich eine grundlegende, wesentliche Beschaffenheit oder Eigen-schaft, durch die etwas einzigartig ist und sich deshalb von anderen Phänomenen unterscheidet. Das Wesen lässt sich als etwas Essenzielles und Typisches an einer Erscheinung verstehen. Überträgt man diese Definiti-on auf die Farben und das Licht, zeigt sich ein bemerkenswerter Zusammenhang. Wenn der physikalische Aspekt des Lichts der für uns sichtbare Bereich eines elektromagnetischen Spektrums ist, welches mit einem ebenso physikalischen neuronalen Netzwerk interagiert und demzufolge kein Farbensehen ermöglicht, dann folgt daraus, dass die physische Dimension des zerebralen Systems mit einer psychischen und geistigen Dimension korrespondiert, was dann bedeutet, dass das Gehirn nicht Objekt, sondern Subjekt ist und sich in seinem Subjektsein im Physischen verwirklicht.
Beim Menschen ist die Farbwahrnehmung im Unterschied zu den Tieren mit Sprache verbunden. Wir haben gelernt, den Farben einen Namen zu geben. Dieser Zusammenhang von Farbwahrnehmung und Benennung hat sich in unserem Gehirn festgesetzt. Wenn der Name einer Farbe nicht mit der Farbwahrnehmung über-einstimmt, bemerkt man eine gewisse Irritation (Bild 8).
Das kommt daher, weil das unbewusste Farbempfinden nicht mit den Farbbegriffen, die man zugleich liest, übereinstimmen. Die Worte triggern die Erinnerung an ein Farberleben und diese Erinnerung weicht vom aktuellen Farbempfinden ab.
Es scheint dem Menschen vorbehalten zu sein, eine Welt der Farben zu sehen, in ihr zu leben und sie erleben zu können. Nur der Mensch kommt zur Vorstellung einer farbigen Welt. Diese von Farben gesättigte Welt ist eine Welt des Lichts, derer man sich kaum bewusst ist. Es ist kein physisches, sondern ein psychisches und geistiges Licht, in dessen Farbwelt wir leben. Jede psychische und geistige Regung und Erregung hat ihre Ent-sprechung in einem Lichtaspekt, der sich als Farbe wahrnehmen lässt. Diese Wahrnehmung erfolgt jedoch nicht mit den physischen Augen. Es bedarf der Ausbildung eines nicht optischen Sehens, das sich im Kontext eines von begrifflichen Benennungen entkoppelten gegenständlichen Sehens, im gegenstandsfreien Wahr-nehmen entfaltet.
Diesbezüglich gibt es noch etwas anderes zu bedenken, das auf den Unterschied zwischen dem gegenständ-lich extrazerebralen und einem gegenstandsfreien intrazerebralen Sehen hinweist. Der Mensch kann näm-lich auch dann Farben sehen und erleben, wenn dessen Sehpigmente nicht mit physischem Licht interagieren. Als Mensch kann man sich an Farben erinnern und sich vorstellen, das Tier kann es nicht. Hier deuten sich zweierlei Phänomene an. Zum einen Vorstellungen aufgrund von Wahrnehmungen einer farbigen Welt, die mit den sensorischen Reizen der Außenwelt korrespondieren. Zum anderen Vorstellungen einer Farbwelt, die nicht auf den sensorischen Reizen der Außenwelt beruhen, sondern ein Ausdruck der Innenwelt sind. Man könnte kryptisch sagen: Das Wesen der Farbwelt beginnt sich ansatzweise dann zu offenbaren, wenn das Gehirn auf das hypostasierende Benennen verzichtet und seine Aufmerksamkeit auf das objektfreie Empfinden lenkt.
Die Phänomenologie der Farbwahrnehmung und des Farberlebens zeigt uns die Einheit von Erde und Welt, von Körper und Geist, Empfindung und Sinn. Deshalb gibt es bei Schopenhauer auch keinen Unterschied zwischen Erde und Welt. Aus seiner Sicht sind die sensorisch bedingten Vorstellungen der äußeren Welt und die sinngebenden Vorstellungen der Innenwelt, die durch Sprache und Denken bedingt sind, nicht vonein-ander zu trennen. Ich möchte aber die sinngebenden Vorstellungen der Innenwelt keinesfalls auf Sprache und Denken beschränken. Ebenso wichtig, wenn nicht sogar wesentlicher, sind aus meiner Sicht Imagination, Inspiration und Intuition. Diese geistigen Phänomene können sich zwar über die Sprache und das Begriffs-denken äußern, sie können aber auch in der Sprachlosigkeit musischer Künste zum Ausdruck kommen.
Bild 1
Bild 2
Bild 3
Bild 4
Bild 5
Bild 6
Bild 7
Bild 8
Diese Website verwendet Cookies. Bitte lesen Sie unsere Datenschutzerklärung für Details.
Verweigern
OK