Ich verwende den Begriff Dimension anders, als es in der Physik, in der Mathematik und in der Geometrie üblich ist. In einem anderen Kontext bildnerischer Analysen habe ich mit dem Begriff Dimension unterschiedliche bildnerische Freiheitsgrade des Ausdrucks und die damit zusammenhängenden visuellen Erscheinungsformen bezeichnet. Diese Freiheitsgrade waren auf eingeschränkte bis uneingeschränkte Aspekte des bildnerischen Ausdrucks und auf eine damit korrespondierende Vermittlung von Sinn bezogen. Später wurde mir bewusst, dass sich diese Freiheitsgrade nicht nur auf den bildnerischen Ausdruck beziehen, sondern, dass sie darüber hinaus auch den Menschen insgesamt, das Leben und die Welt betreffen. Es ist demnach eine Festlegung, wenn ich eine Dimension als Freiheitsgrad des Erlebens, des Handelns und den damit zusammenhängenden zerebralen Zustandsmöglichkeiten definiere, die sich physisch, psychisch und geistig äußert und verwirklicht, sodass drei Dimensionen zu unterscheiden sind: eine physische, eine psychische und eine geistige Dimension. Das ergibt ein dreidimensionales Modell des Seienden, welches sich in den Phänomenen des Wahrnehmens und Erlebens realisiert und verwirklicht. So gesehen wäre die Geometrie des physischen Raumes mit seinen drei metrischen Dimensionen von einem aus Freiheitsgraden bestehenden Zustandsraum zu unterscheiden, der ein Ausdruck physischer, psychischer und geistiger Attribute ist. Im Allgemeinen verbindet man mit dem Wort Drei oder der Ziffer 3 eine Anzahl oder Menge. Im vorliegenden Kontext ist die „3“ aber keine Zahl, sondern das Muster einer instantanen Koinzidenz von drei Dimensionen. Das ist so zu verstehen: Wenn eine Dimension ein Punkt ist, dann bilden drei Punkte ein Dreieck. Unabhängig davon, in welcher Distanz und Beziehung zueinander diese Punkte angeordnet sind, bilden sie immer die Gestalt eines Dreiecks. Jetzt kommt es darauf an, sich dessen bewusst zu sein, dass in der Gestalt des Dreiecks keiner der drei Eckpunkte chronologisch und kausal aus einem der anderen Punkte hervorgegangen sein kann. Das ist noch anschaulicher, wenn Sie die Eckpunkte eines Dreiecks mit den drei Primärfarben Rot, Blau und Gelb in Zusammenhang bringen (Bild 1).
Bild 1
Keine dieser drei Farben ist das Resultat einer kausalen Entwicklung aufgrund einer vorhergegangenen Farbe. Das heißt, weder Gelb, Rot und Blau können von einer einzigen ursächlichen Farbe hergeleitet und darauf reduziert werden. Daraus folgt, entweder es gibt diese drei Farben unmittelbar und zugleich oder es gibt sie nicht. Entweder gibt es die drei Eckpunkte unmittelbar und zugleich oder es gibt das Dreieck nicht. Die Gestalt des Dreiecks ist entweder und unabhängig von einer kausalen Entwicklung der Fall oder es gibt sie nicht, weil sie nicht der Fall ist. Hier gibt es weder eine Chronologie noch eine Kausalität. Das ist der instantane Aspekt der Gestalt, die von vornherein als Einheit und Ganzheit anwesend ist und sich ohne kontinuierliche Zwischenschritte auflöst, sobald einer der Eckpunkte verschwindet. Analog sind auch die drei Dimensionen wie die Eckpunkte eines Dreiecks koinzident aufeinander bezogen und sich gegenseitig bedingend (Bild 2).
Bild 2
Die wissenschaftliche Sicht auf die Phänomene der Welt kennt und anerkennt nur eine, nämlich die physische Dimension und die beiden anderen, die psychische und geistige Dimension werden auf das Physische reduziert und bestenfalls davon abgeleitet. Das würde in Analogie zu den drei Dimensionen der Primärfarben und den Eckpunkten des Dreiecks bedeuten, dass man nur eine der drei Farben, zum Beispiel Gelb als primordial und real vorhanden anerkennt und die Farben Rot und Blau davon abzuleiten wären. Damit wäre die Gestalt des Dreiecks aufgelöst und nicht mehr vorhanden. Wie es ein Dreieck nur aufgrund von drei Eckpunkten gibt, die seine Gestalt ermöglichen, ebenso gibt es die Ganzheit des Seienden ebenso nur aufgrund von drei Dimensionen, die sich in Phänomenen verwirklichen. Wenn man diese Metapher des Dreiecks auf das Modell der drei Dimensionen anwendet, ergeben sich beliebig viele interaktive Möglichkeiten in der Dynamik ihrer Beziehungen.
Betrachten wir dieses triadische Modell der drei Dimensionen am Beispiel einer gegenstandsfreien Zeichnung. Aufgrund der Prämisse, jedem Phänomen würde eine physische, psychische und geistigen Dimension zugrunde liegen, müssten in dieses Bild (Bild 3) drei Dimensionen zum Ausdruck gekommen sein. Das würde bedeuten, dass es beim Fehlen einer der drei Dimensionen dieses Bild nicht geben könnte und geben würde.
Bild 3
Die physische Dimension von Gehirn, sensumotorischen Nervensystem und materiellen Zeichenmaterial, waren die Voraussetzungen dafür, dass sich gegenstandsfreie Ausdruckshandlungen realisieren konnten. Ein wahrnehmendes, sich selbst erlebendes und psychisch empfindendes Subjekt, das zeichnen wollte, war die Ursache für differenzierende, auf Nuancen bedachte Ausdruckshandlungen der psychischen Dimension. Die Kohärenz der Bildelemente zeigt, dass sich formgebende, eine zusammenhängende Gestalt bildende Einflüsse auf die physische Motorik des Zeichnens und ein damit korrespondierendes qualifizierendes Empfinden ausgewirkt haben, wobei diese Wirkung ein Ausdruck gewollter und beabsichtigter Entscheidungen der geistigen Dimension war. Die koinzidente Verwirklichung der physischen, psychischen und geistigen Dimension dürfen als die Voraussetzung und Ursache dafür gelten, dass diese Zeichnung entstehen konnte.
Kein Bild entwickelt sich von alleine aufgrund physischer Materialien, aus denen es besteht. Es muss darüber hinaus etwas geben, wodurch aufgrund dieser physischen Voraussetzung ein gestaltbildender Prozess entsteht. Das ist zweifelsfrei die Bewegung. Aber auch die für eine Zeichnung erforderlichen Bewegungen kommen nicht wegen des physischen Materials zustande und deshalb muss es einen über die physischen Voraussetzungen hinausreichenden oder besser gesagt, einen in diese Voraussetzungen hineinreichenden Einfluss geben. Dieser Einfluss kommt jedoch nicht, wie man meinen könnte, durch das physische Gehirn, seinen neuroelektrischen Impulsen und synaptischen Vernetzungen zustande. Der zerebrale chemisch-physikalische Apparat kennt keine Absichten, kein Wollen, weder Ausdrucks- noch Gestaltungsziele. Die Welt der Elementarstrukturen und der elektromagnetischen Felder der zerebralen Materie, haben keine Interessen. Das betrifft zum Beispiel auch Bilder, die vom System einer künstlichen Intelligenz generiert werden. Dessen Algorithmen haben keine Absichten und auch kein Wollen, weder empfinden noch erkennen sie etwas. Sie sehen und wissen nichts und haben keine Ahnung von Bedeutung. Es ist der Mensch, der die Programme schreibt und die Ziele vorgibt. Was bedeutet es aber dann, wenn eine KI ein Bild generiert hat? Was ist dabei entstanden? Und wie? Suchen wir eine Antwort diese Fragen anhand eines Beispiels (Bild ´4).
Bild 4
Dieses Bild könnte so entstanden sein, dass ein oder mehrere Programmierer:innen in das Datennetzwerk eines KI-Systems tausende Daten von Bildern eingespeichert haben. Sie könnten diesen Datenpool mit einem Zufallsgenerator verbunden und mit Algorithmen vernetzt haben deren Aufgabe es war Bilder oder Bildsegmente entsprechend einer vorgegebenen Konfigurationsregel unter Einbeziehung zufallsbedingter Präferenzen zu kombinieren. Auf diese oder ähnliche Weise könnte dieser visuelle Output entstanden sein.
Aus der Sicht auf die Innenperspektive dieser KI hat ein blinder Mechanismus die Ziele eines Programms abgearbeitet und Daten kombiniert. Wissenschaftliche Hardliner könnten nun sagen, dies würde eine zutreffende Analogie zum menschlichen Gehirn sein. Dabei würde jedoch die Tatsache außer Acht gelassen, dass kein Chip von sich aus die Idee gehabt hätte oder hätte haben können, dieses gegenstandsfreie Bild zu generieren. Absichtliche von Menschen geschriebene Programme haben deren codierte Anweisungen ausgeführt. Das wirft die Frage auf, wodurch eine Kombination gegenstandsfreier Daten zu einem Bild wird; die Daten selbst, seien sie biologisch- zerebral oder physisch-technisch entstanden, sind nämlich völlig bedeutungslose Verteilung von Pixel und somit kein Bild. Keine KI kann von sich sagen, sie hätte ein Bild geschaffen oder gesehen, was sie geschaffen hat. Das ist offensichtlich. Es scheint mir deshalb evident zu sein, dass ein anderes Verständnis des Gehirns erforderlich ist, damit man die Phänomenologie eines Bildes, der Wahrnehmung, des Empfindens und Erlebens verstehen kann.
Es ist zweifellos eine Tatsache, dass wir uns ohne Gehirn nicht wesentlich von anderen hirnlosen Lebewesen unterscheiden würden. Das Leben als solches benötigt kein Gehirn, wie man anhand von Pflanzen, Pilzen, Bakterien, Nesseltieren usw. erkennen kann. Würde die terrestrische Intention nur darin bestanden haben, aus anorganischer Materie zufällige organische Strukturen zu bilden, hätte sie im Lebensstadium des Planktons verbleiben können. Es ist nicht einzusehen, warum sich das Leben über den Zustand des Planktons hinaus entwickelt haben sollte, um Lebewesen zu bilden, die sich von selbst bewegen und zueinander in Beziehung setzen können. Von unten her nach oben gedacht, ist das nicht zu verstehen. Wenn aber die gegenständliche Realität eine Verwirklichung des Geistigen und das Geistige eine gegenstandsfreie Zustandsüberlagerung aller nicht realisierten, jedoch realisierbaren Möglichkeiten ist, dann können sich in einer zunehmenden physischen Komplexifizierung elementarer Strukturen kohärente Phänomene verwirklichen, die mehr sind als eine Ansammlung elementarer Teile.
Von einem ursprünglich hirnlosen Zustand von äußeren Umständen bewegt zu werden bis zu einer Existenz mit Gehirn hat ein Entwicklungsprozess stattgefunden, von dem die Wissenschaft meint, er würde sich ausschließlich zufällig ereignet haben. Von Zufall spricht man, wenn man für ein oder mehrere Ereignisse keine chronologisch kausalen Zusammenhänge erkennen kann. Diese im Hinblick auf schöpferische Lebensprozesse erbärmliche Idee des Zufalls besteht in der Annahme, etwas würde gestaltet sein, weil es vorher etwas Ungestaltetes gab, das aufgrund physischer Bedingungen die Ursache für das Gestaltete wäre. Das Alte würde demzufolge immer die Voraussetzung für das Neue sein. Man mag es nicht für möglich halten, aber dieses eingeschränkte Weltbild ist die theoretische Grundlage für wissenschaftliche Modelle. Aufgrund welcher Einflüsse der konfuse Bewegungsausdruck ungestalteter Linien (Bild 5) so modelliert werden kann, dass eine kohärente, aus Linien gebildete Bildgestalt entsteht, lässt sich jedenfalls nicht mit zufälligen motorischen Abweichungen erklären (Bild 6).
Bild 5
Bild 6
Es bedarf eines Wollens und Entscheidens, des qualifizierenden Unterscheidens und eines Wahrnehmens der Empfindungen. Ohne diese und weiterer Funktionen und Eigenschaften sind gestaltende Modellierungen, das heißt strukturierende, organisierende und selektierende Einflüsse auf Ausdruckshandlungen nicht möglich. Das ist eine Behauptung. Sie können selbst prüfen, ob sie zutreffend ist. Dazu benötigen Sie nur ein Minimum an anschaulicher Logik.
Bild 7
Betrachten Sie diese Fotografie (Bild 7) und stellen Sie sich folgende Fragen: Ist dieses Steingebilde zufällig entstanden, ohne finale Absicht und Planung, ohne ein Wollen, die Steine so auszurichten, dass sie sich im Gleichgewicht befinden, um diese Konfiguration zu ermöglichen? Sehen Sie in dieser Gestalt den Ausdruck geistloser Handlungen oder den Einfluss einer geistigen Planung? Wie könnte man sich dessen sicher sein, dass die diese Gestalt ermöglichenden Handlungen von einem Gehirn koordiniert worden sind, welches die Steine vergleichen, wählen und im Kontext einer finalen Vorstellung zueinander in Beziehung setzen konnte? Würden Sie sagen, dass es von einem Gehirn gewollt war, diese Steinfigur zu bauen, weil es sich dem auch hätte verweigern können? Damit will ich anzudeuten, wie fanatisch man sein, den Unsinn zu verbreiten, der Mensch hätte bei seinen Handlungen grundsätzlich keine Möglichkeit, sich frei zu entscheiden.
Aufgrund von Erfahrungen weiß ich, dass keine Komposition zufällig aufgrund von Effekten neuronaler Algorithmen entsteht. Das Argument, Resultate der artifiziellen Intelligenz und des deep learning würden das Gegenteil beweisen, zählen nicht, weil keines der dafür erforderlichen Programme von sich aus und ohne Beteiligung des menschlichen Bewusstseins die Absicht hatte, eine Leistung zu erbringen. Ich habe die Ausdruckshandlungen meiner gegenstandsfreien Zeichnungen und Rollbilder daraufhin analysiert und dabei erkannt: ohne eine zerebrale Instanz, die wir Ich nennen, eine Instanz, die wollen und entscheiden, die qualifizierend unterscheiden und das Wahrgenommene vergleichend zu empfinden vermag, ist Gestaltung nicht möglich. Es gibt keine schöpferische Leistung ohne beabsichtigte Entscheidungen bei gewollten Handlungen, die das Gehirn ermöglicht. Dieser indische, aus dem Felsen herausgeschlagene Tempel, ist dafür ein Beispiel (Bild 8).
Bild 8
Aber warum sollte das Gehirn ein Interesse daran haben, schöpferisch zu sein? Die Frage ist vergleichbar warum sich Lebewesen autonom fortbewegen sollten? Das Plankton lebt immer noch, obwohl es sich nur von der Strömung treiben lässt und sich nicht von selbst bewegt. Auch Lebewesen mit einem nur rudimentär entwickelten Gehirn gibt es zur Genüge. Wozu also der zerebrale Aufwand? Offenbar muss man seine Vorstellung vom Sinn und Nutzen des Gehirns ändern, wenn man das verstehen will. Aber vor allem wird man den akademisch vermittelten Unsinn erkennen müssen, dass alles was der Fall ist ausschließlich physisch bedingt sein würde und über materielle Mechanismen zu begründen wäre.
Das Wort „Gehirn“ verweist auf ein einzelnes, einem Individuum zugehöriges Organ, das neben vielen anderen Individuen und gleichartigen Organen existiert. Man ist es gewohnt, das Gehirn isoliert zu sehen, woraus man folgern könnte, dass sich mein Gehirn von deinem Gehirn und den Gehirnen aller anderen unterscheiden würde. Ich sehe ein anderes Bild. Ich sehe, ein Welt genanntes terrestrisches System, das sich eine zerebrale Struktur geschaffen hat, die aus drei Dimensionen besteht. In diesem Bild sind alle Gehirne ein Ausdruck der physischen, psychischen und der geistigen Dimension (Bild 9) und ich verstehe diese terrestrische zerebrale Struktur als ein interaktives Netzwerk der Gehirne aller Individuen. Diese zerebrale Union ist eine instantane Koinzidenz der physischen, psychischen und der geistigen Dimension, die ich zerebrales Es nenne.
Bild 9
Das zerebrale Es ist als eine instantane Einheit und Ganzheit von drei Dimensionen zu verstehen. In diesem Modell würde das Gehirn als die physische Dimension des zerebralen Es zu verstehen sein. Es wäre die Voraussetzung aber nicht die Ursache für psychische und geistige Phänomene und der Phänomenologie des Ich. Das hat Konsequenzen. Wenn man nämlich das Gehirn ausschließlich als ein physisches Phänomen versteht, wird man dessen Äußerungen ausschließlich im Kontext materieller Modelle interpretieren. Dann untersucht man seine Moleküle, die Neuronen und Synapsen, seine Chemie und beobachtet physikalisch messbaren Reaktionen. Diese physische Existenz, die man zerschneiden und mit Chemie verändern kann, also das materielle Gehirn, ist die physische Dimension des zerebralen Es. Nun kommt es darauf an, diesen physischen Aspekt versuchsweise als eine Dimension des zerebralen Es begreifen zu können, das aus zwei weiteren Dimensionen besteht (Bild 10).
Bild 10
Die Gesamtheit aller zerebralen Funktionen des physischen Gehirns und deren intrazerebrale Vernetzungen ermöglicht die Verwirklichung der bewussten und unbewussten Phänomene der psychischen Dimension in Form von Verhalten, Empfinden und Erleben im Raum-Zeit-Kontext. Die psychische Dimension des zerebralen Es verwirklicht sich in Interaktionen mit der physischen, psychischen und der geistigen Dimension der Welt und in Interaktionen mit dem zerebralen Es anderer Lebewesen. Damit ist angedeutet, dass den drei Dimensionen des zerebralen Es auch drei Dimensionen der Welt analog sind.
Dem zufolge ist die psychische Dimension kein Produkt des physischen Gehirns; das Psychische koexistiert in seiner ganzen Komplexität möglicher Erscheinungsformen instantan, also nicht chronologisch, akausal, sondern augenblicklich und unmittelbar gleichzeitig mit der physischen und der geistigen Dimension als ein Aspekt der Welt. Diesbezüglich hätte man sich von der konditionierten Meinung zu befreien, psychische Phänomene würden nur den Menschen betreffen und somit ein Ausdruck persönlicher Eigenschaften des Denkens, von Gefühlen und Motiven des Handelns sein.
Didritte Dimension der Welt und des zerebralen Es ist die geistige Dimension. Man kann das Geistige nicht messen oder beobachten, weil es das Messen und Beobachten ist und sich in Beziehung zur beobachtbaren und beobachteten Realität der physischen Dimension zum Ausdruck bringt. Ebenso wie sich Quantenphänomene nur über ihre Wechselwirkungen beobachten lassen, als eigenständiges Phänomen jedoch gegenstandsfrei und deshalb unsichtbar sind, und ebenso wie Raum und Zeit nur relational im Kontext eines Systems zu einem Phänomen der Erfahrung abstrahiert werden, als unabhängige und eigenständige Existenz aber nicht vorhanden sind, ist auch das Geistige nur relational in einem Kontext vorhanden. Das lässt sich mit einem einfachen Beispiel veranschaulichen, in dem man einen Quantitätsaspekt vom Qualitätsaspekt unterscheidet (Bild 11).
Bild 11
In jedem dieser vier Bilder A, B, C und D sind vier Punkte zu sehen. Die Quantität der Punkte ist also in jedem Bild dieselbe. Das heißt, dass sich der quantitative Aspekt in diesen vier Bildern nicht voneinander unterscheidet; die Quantität der Elemente ist in A ist dieselbe wie in B, C und D. Die Quantität 4 ist eine abstrahierte Generalisierung, die auf alle quantifizierbaren Erscheinungsformen zutrifft. Zwischen vier Buchstaben, vier Farben oder vier Signaturen gibt es keinen quantitativen Unterschied. Die Unterschiede sind qualitativ und ergeben sich aus den wahrnehmenden Empfindungen von Relation und Beziehung (Bilder 12 bis 14).
Bild 12
Bild 13
Bild 14
In der Phänomenologie von Quantität und Qualität, in der kognitiven Abstraktion der Zahl und im empfindenden Wahrnehmen relationaler Beziehungen offenbart sich die geistige Dimension, woraus folgt, dass die physische Dimension die Voraussetzung, aber nicht die Ursache für den Ausdruck geistiger Phänomene ist. Das zeigt sich in folgendem Beispiel noch deutlicher (Bild 15):
Bild 15
Sie sehen fünf Zeichen. Jedes Zeichen hat die gleichen physischen Voraussetzungen. Obwohl es zwischen diesen Zeichen keine physischen Unterschiede in den Elementarstrukturen gibt, sehen Sie fünf verschiedene Gestalten. In jeder dieser Zeichengestalten zeigen sich andere relationale Beziehungen formaler Elemente. Das ist kein physisches, sondern ein geistiges Phänomen. Die geistige Dimension tritt noch deutlicher in Erscheinung, wenn Sie wissen, dass jedes dieser fünf Zeichen horizontal gespiegelte Buchstaben sind, die beide zusammen eine visuelle Gestalt ergeben. Von diesem Moment an ereignet sich ein intrazerebraler Prozess, weil Sie damit beschäftigt sind, die horizontale Spiegelung beim Wahrnehmen der Zeichen in Ihrer Vorstellung aufzulösen. Auch das ist ein geistiger Prozess, weil er sich auf eine Änderung der relationalen Beziehungsaspekte der Zeichenstrukturen bezieht. Dann kann es sein, dass Sie die psychische Dimension erfahren, weil Sie mit einem Wort konfrontiert sind, welches über viele Jahrzehnte hinweg psychisch besetzt und negativ konnotiert wurde.
In diesem Modell sind die drei Dimensionen des zerebralen Es eine Verwirklichung der drei Dimensionen der Welt und somit verschränkt. Mit Verschränkung bezeichne ich in diesem Zusammenhang einen Zustand, in dem qualitative und strukturelle Attribute physischer, psychischer und geistiger Phänomene akausal und nicht chronologisch analog sind. Eine Trennung des Physischen vom Psychischen und Geistigen wäre deshalb lediglich fiktiv und keineswegs der Fall.
Alle Ausdrucks- und Gestaltungshandlungen werden von diesen drei Dimensionen des zerebralen Es ermöglicht, wobei dessen physische Dimension die Voraussetzung dafür ist Aspekte der psychischen und geistigen Dimension zum Ausdruck bringen zu können. Das war und ist die Voraussetzung für eine sich differenzierende Entwicklung sowohl der individuellen wie der kollektiven zerebralen Netzwerke. Sie sind die physische Voraussetzung und psychisch geistige Ursache, die in einer Mathematik der Atombombe, in den Suggestionen des Nationalsozialismus, in Buddhas Lehrreden, in den Perversionen de Sades und im Geistigen in der Kunst ihren Ausdruck gefunden haben und finden können.
Das zerebrale Es umgreift mehr als das was man Gehirn nennt. Wie ich bereits gesagt habe ist das Gehirn der physische Aspekt des zerebralen Es der instantan mit der psychischen und geistigen Dimension koexistiert. Wenn man sich die Gesamtheit der schöpferischen Leistungen, die das zerebrale Es seit seinem in der Welt sein und seinen ersten Ausdruckshandlungen in Höhlen bis heute geschaffen und hinterlassen hat vorzustellen vermag, bekommt man eine Ahnung, wozu es fähig war und fähig ist und sich zugleich immer wieder auch seiner Möglichkeiten beraubt, die Pforten in die vierte Dimension zu öffnen.
Evolutionstheoretisch gedacht meint man, es wäre die unvorstellbare Summe aller möglichen neuronalen und synaptischen Interaktionen sowie deren intrazerebralen Vernetzungen, die das Psychische und Geistige als Begleiterscheinung des Physischen hervorbringen würden. Das bedeutet, das Komplexe, Differenzierte und Neue ist lediglich ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt einer Quantifizierung physischer Elemente und deren zufälligen Vernetzungen. Es bedeutet auch, dass sich Qualität und Sinn durch physische Quantität und blinde Rückkoppelungen verwirklichen würden. Aber die Quantität von Buchstaben ergibt keine Bedeutung vermittelnden Worte und eine zufällige Aneinanderreihung von Worten ergibt keinen Sinn vermittelnden Text. Ohne Absicht und Wollen werden Steine nicht zu einer Mauer geschichtet und ohne Idee, Geist und Konzept wird kein Gebäude entstehen. Harmonikale Proportionen entstehen nicht durch Zufall, Farb- und Tonakkorde auch nicht. Seit Max Planck weiß man, dass die physische Realität der Elementarstrukturen gequantelt, nicht in beliebigen Zwischenstufen verminderbar oder vermehrbar ist und sich nicht auf einer linear gedachten Zeitachse verändert. Die physische Realität ist demzufolge nicht gleitend von null bis etwas mehr als null entstanden, sondern aus einer Einheit, die aufgrund eines konstanten Wertes strukturiert und proportioniert erscheint. Dieser Wert kann weder unterschritten noch beliebig vergrößert werden. Das heißt, die Grundlage der physischen Dimension ist eine von Beginn an gegebene relationale und proportionale Größe, der man nichts hinzufügen oder wegnehmen kann. Zahl und Wert, Quantität und Qualität bestimmen und ermöglichen die Ausdrucksprozesse und Gestaltungen der drei Dimensionen der Welt und des zerebralen Es. Ein für das Handeln und Gestalten, das Wahrnehmen und Erkennen wesentlicher Aspekt des zerebralen Es ist das Phänomen des Ich.
Otto Hanus
Die drei Dimensionen in Realität und Wirklichkeit
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